Seit mehr als 25 Jahren begleitet mich, neben meiner Arbeit als Drogistin/Heilpraktikerin, die bildende Kunst. Dies, obwohl ich mich während der Schulzeit für gänzlich unbegabt hielt. Ich hatte keine Geduld, um ein Tüpfelchen-Stricheinbild nach Segantini zu malen, ich brachte keine Farbstiftfläche ohne Striemen hin und Abzeichnen war für mich ein absoluter Gräuel. Mein Bruder, ja, der konnte das. Aber ich? Nein. Keine Kunst. Ich frass Bücher, schaute fern und traf mich draussen mit Freundinnen. Bis ich meinen ersten, richtig heftigen Liebeskummer hatte.
Dass ich in meiner Verzweiflung nicht Schriftstellerin wurde, sondern mich der bildenden Kunst zuwandte, kam so: Der Zufall wollte es, dass ich in meiner uferlosen Trauer über ein Inserat für Mandala-Malen stolperte. Mandalas malt man immer von einem Zentrum aus nach aussen hin. Sie folgen in der Buddhistischen und Hinduistischen Tradition einem ganz bestimmten Muster, aber grundsätzlich ist jeder Kreis mit einem Zentrum ein Mandala, ein Rad. So fing ich an, Mandalas zu malen. Ohne Plan, ohne Bewertung, ohne Grenzen. Ich konnte mein Herz mithilfe der Farben, den Pinselbewegungen und blütenartigen Bildern von der Trauer befreien und hatte einen Weg gefunden, mit meiner Gefühlswelt klarzukommen.
Ausdruckssprache Kunst
Weil die Sprache der Farben für mich so hilfreich war, um auszudrücken, was ich nicht in Worte fassen konnte, ging ich später einige Zeit in eine Kunsttherapie und besuchte Abendkurse im Ausdrucksmalen. Das waren für mich höchst kreative, lehrreiche und aufschlussreiche Erlebnisse. Nicht nur in Bezug auf mich selbst. Auch die Arbeiten der anderen Kursbesucher*innen berührten mich zutiefst. Hier der Mensch mit seinen einschränkenden Glaubenssätzen und dort das Bild, das so direkt, so ehrlich und so überaus offen im Raum steht.
Ich malte immer, wenn ich aufgewühlt war, erneut Liebeskummer hatte – das kam bei mir öfters vor – oder mich in Krisen wälzte. Immer waren es der Pinsel und die Farbe, die mich zentrierten, mich in die Gegenwart brachten und mir halfen, das ganze Drama mit Distanz zu betrachten.
Die erste Ausstellung
Meine erste Ausstellung durfte bei meiner Freundin Malica Moumene, Coiffeur el Mono, in Brugg, organisieren. Ich zeigte eine Serie aus sehr farbenfrohen Bildern mit langen Frauenfiguren. Sie waren anmutig und ansprechend, haben den Leuten sehr gut gefallen und vermutlich könnte ich bereits heute von der Kunst leben, wenn ich damals mit genau diesen Bildern weitergemacht hätte. Aber das ging nicht. Mein Anspruch wuchs und auch mein künstlerisches Wissen. Ich schaffte es nicht mehr, menschliche Gestalten schematisch darzustellen. Wenn ich schon wusste, wie ein Gesicht zu zeichnen war, dann wollte ich den Leuten auch zeigen, dass ich das konnte! Das nennt man «Deformation professionelle». Zuerst möchte man etwas so präzis wie möglich zeichnen oder malen lernen, dann merkt man, dass auf diese Weise etwas verloren geht – der Ausdruck – und man wendet sich mit Anstrengung wieder der Abstraktion zu, indem man versucht, alles wegzulassen was nicht wichtig ist. Es folgten nochmals zwei oder drei Ausstellungen, bis ich beschloss: «Ich kann nicht Bilder produzieren, um Ausstellungen zu füllen. Ich möchte frei bleiben, meine Bildsprache immer wieder überdenken und mich neu erfinden können».
So kam ich zum Holz
Ich merkte, dass ich an einem Punkt angekommen war, an dem ich selbst nicht weiterkam. Ich war hungrig nach Mehrwissen und absolvierte einen gestalterischen Lehrgang in Luzern. Es war eine praktische Ausbildung, die mir Einblick bot in verschiedene Materialien wie Stein, Papier, Ton, Metall, Farbe, Landart, Holz, Beton und Gips. Diese Schulung war für mich eine grosse Bereicherung und ich lernte eine neue Stärke von mir kennen: das drei-dimensionale Vorstellungsvermögen. Es fiel mir leicht, aus Ton eine Figur zu formen und diese später aus einem Baumstamm zu sägen. Und genau dort blieb ich hängen und machte bei Martin Hufschmid einige Kurse, um den Umgang mit der Motorsäge zu lernen.
Gestalterisch mit einem Baum zu arbeiten, der über viele Jahre irgendwo tief verwurzelt in der Natur gestanden hat, war das Schönste ,was ich mir vorstellen konnte. Aus diesem lebendigen, atmenden, noch nassen Material ein Kunstwerk zu erschaffen, das einen anderen Menschen erfreuen kann, war einfach überwältigend. Noch heute fühle ich mich bei der Arbeit mit Holz wie eine Schamanin. «Die mit dem Holz spricht» wäre wohl ein passender indianischer Name für mich. Mit Holz fühle ich mich frei. Ich fühle eine Dualität, was ich beim Papier nicht habe. Papier bemale ich. Aber beim Holz, da habe ich ein Gegenüber, das den Weg mitgestaltet oder gar vorgibt.
Leben mit der Kunst
Ich mache nun seit rund 25 Jahren Kunst. In der Schule von damals, als es galt, schön zu zeichnen, würde ich mich vermutlich noch immer für unbegabt halten. Obwohl ich die menschlichen Proportionen gut hinbekomme, ist für mich der Ausdruck viel wichtiger als die Perfektion. Und darin, im Ausdruck, bin ich richtig gut. Kunst muss man fühlen. Nicht nur sehen.
Das hat mich auch gestern, an der Vernissage meiner laufenden Ausstellung wieder bestätigt. Zum ersten Mal fühlte ich mich verstanden mit meiner Kunst. Ich glaube, ich habe es geschafft, genau das, was ich fühle in meine Bilder und Skulpturen zu packen. Und ich spürte, dass viele Besucher*innen dies ebenfalls wahrnehmen konnten. Der Zauber und die Energie, die da in der Luft lag, war Seelennahrung. Nicht nur für mich. Das hat mich enorm glücklich gemacht.
Deine Werke sprechen. 🙂 Deine Werke atmen. 🙂 Deine Werke berühren die Seele… und spenden Kraft! Danke!
Ich freu mich sehr über diese Rückmeldung! Vielen herzlichen Dank 🥰